
von Dr. John Rusin

Stärke Aufbauen ohne das Trainingsgewicht zu steigern
Irgendwo sitzt es doch tief in den Meisten von uns verankert, der Gedanke dass wir nicht kräftiger und stärker werden, wenn wir nicht das Trainingsgewicht steigern. “Absolutes Krafttraining”, also das Training mit Fokus auf dem maximalen Trainingsgewicht, sollte an sich nur einen sehr geringen Teil des Trainings ausmachen, ausser du nimmst tatsächlich an Wettkämpfen wie z.B. Olympic Weightlifting, teil.
Erfahrene Gewichtheber werden bestätigen können, dass es unzählige Varianten der progressiven Kraftsteigerung gibt ohne jemals das Trainingsgewicht an sich steigern zu müssen.
Es ist an der Zeit, dass wir etwas an der dogmatischen herangehensweise klassischen Krafttrainings ändern, die sich fast ausschließlich auf das Verfolgen persönlicher Bestleistungen unter verletzungsträchtiger progressiver Leistungssteigerung bezieht, und dass wir endlich anfangen smarte Trainingsstrategien zu verwenden um langfristig Verletzungsfrei zu bleiben und mehr Leistung zu bringen.
#4 Das Priorisieren von “Multi-Rep-PR´s”
Wenn nach den Worten “persönliche Bestleistung” oder “persönlicher Rekord” dein erster Gedanke deine 1RM einer bestimmten Übung ist, dann kannst du dich höchstwahrscheinlich darauf gefasst machen, dass du mit dieser Einstellung nicht lange Verletzungsfrei trainieren wirst.
Viele die bereits seit jahren schwer Trainieren, und permanent nach neuen persönlichen Bestleistungen streben, wissen das diese Vorgehensweise nicht selten ohne einen Preis kommt. Die eigentlich Frage aber ist doch, welchen Nutzen hat diese Form der Leistungssteigerung, und passt das zusammen zu der eigentlichen Zielsetzung?
Jedes Mal wenn du mit deinem Maximalgewicht, oder kurz darunter, trainierst, passiert eine von 2 Sachen. Die erste Variante, deine Erwartungen werden erfüllt und du schaffst es deine neue Bestleistung zu stemmen. Wir alle kennen dieses Gefühl, und im Kraftsport ist dieses Gefühl, eine neue Bestleistung aufzustellen, genau der Grund warum wir trainieren, ein unschlagbares Gefühl. Wenn dieses Gefühl aber der einzige Antrieb für deine Trainingssessions ist, dann sollte ein fundamentales Umdenken stattfinden!
Die zweite und häufiger vorkommende Variante ist, dass du es gerade so mit Ach und Krach, unter Mobilisation jeder einzelnen Kraft erzeugender Muskelfaser und diverser Kompensationsmuster schaffst, das zu stemmende Gewicht von Punkt A nach Punkt B zu bewegen. Diese Variante, ist die Variante die auf dem kürzesten Weg zu Trainingsverletzungen führt und um jeden Preis vermieden werden sollte.
Dabei vergessen wir nur allzu oft den Nutzen den persönliche Bestleistungen in Bezug auf mehrere Wiederholungen (z.B. ein Rekord in Bezug auf Wiederholungen beim Kreuzheben mit einem Bestimmten Gewicht) im Sinne des Transferpotential und Muskelaufbau mit sich bringen, ganz zu schweigen von dem nicht unerheblich gesenkten Risiko/Nutzen Faktor. Intelligentes Training zeugt von einem ganzheitlichen Blick auf Kraft und Fortschritte innerhalb der fundamentalen Übungen unter berücksichtigung von Trainingsprotokollen bei denen eben auch persönliche Bestleistungen in Bezug auf mehrere Wiederholungen eine Rolle spielen.
Im Laufe der letzten 6 Monate habe ich bei meiner Arbeit mit einiger meiner Athleten den Fokus dahingehend verlegt, dass wir gezielt auf das Erreichen von Multi-Wiederholungs-Bestleistungen hingearbeitet haben. Die Übungen die hier im Vordergrund standen waren z.B. das Kreuzheben mit der Trap Bar, und andere haltungs-freundliche Übungen. Um es milde auszudrücken, diese Art und Weise der Gestaltung von Trainingsplänen war und ist für alle meine Athleten ein absoluter Gewinn!
Einen Standard zu etablieren für diese Art des Trainings, das auf Multi-Wiederholungs-Bestleistungen basiert, ist nicht schwierig umzusetzen. Für den Fall, dass dein bisheriges Training den Fokus auf 1 Rep Max (1RM) hatte, beginne mit einem transfer hin zu Trainings bei denen der Fokus auf 3RM oder 5RM liegt.
Für alle die nach wie vor mit einem annäherndem Maximalgewicht arbeiten wollen, hier ist eine weitere Option. Verändere nicht das Gewicht das du hebst, sondern die Anzahl der Wiederholungen in Bezug auf Zeit. Dein Training auf diese Art neu auszurichten ist eine der einfachsten, aber einer der besten Wege zu einem noch effektiveren Trainingsprogramm. Beginne auf diese Art ein wenig mehr Variation in deine Trainingseinheiten zu bringen, und du wirst feststellen dass du nach und nach an Kraft zulegst; und als Nebeneffekt wird sich der 1RM, den du ja sicherlich noch immer hier und dort mal in dein Training einbringst, um so besser anfühlen!
#3 Mehr leisten in weniger Zeit, erhöhte Trainingsdichte
Als “Trainingsdichte” können wir die Menge an Leistung definieren die wir in einer bestimmten Zeit schaffen. Wenn du also mehr Wiederholungen in einer kürzeren Zeit schaffst ergibt sich hieraus eine höhere Trainingsdichte, hieraus wiederum ergibt sich als Schlussfolgerung die Korrelation zu einem Kraftzuwachs. Diese Art des Trainings, auch bekannt als E.D.T., ist bereits seit mehreren jahrzehnten bekannt und wurde populär gemacht durch Charles Staley.
Auch wenn du nicht mit dauerndem Blick auf die Uhr, und unter Zeitdruck trainieren möchtest, so gibt es doch einen einfachen Weg wie du von dieser Art Training profitieren kannst. Verkürze einfach die Erholungsphasen zwischen den Sätzen.
Eine der effektivsten Varianten um eine höhere Trainingsdichte innerhalb deines Trainings zu erzeugen, besteht in der synergistischen kombination von zwei Übungen innerhalb eines Supersatzes. Hier bietet sich z.B. die Push/Pull – Variante einarmiges Rudern und einarmige Brustpresse an. Einen Großteil des Fortschritt erzielst du hier wenn du die Pausen zwischen den Übungen und Sätzen versuchst so kurz wie möglich zu halten.
Mit verringerter Erholungsphase, steigt zum Einen die Ermüdung der spezifischen Muskelgruppe(n), gleichzeitig aber wird auch der Stoffwechsel insgesamt angeregt was dann zu einem insgesamt intensiveren Training führt. Um deine Stärke wahrhaft zu testen, verringere die Pausen und behalten gleichzeitig das Tempo der Wiederholungen, sowie die Qualität der Bewegung bei.
Die Veränderung der Erholungsintervalle muss keine große sein, solltest du aber deine eigene Gesundheit und Kraft, und gleichzeitig kontinuierliche Leistungssteigerung als dein Ziel definiert haben, dann machen 5-10 Sekunden weniger Pause zwischen deinen Sätzen einen großen Unterschied. Sei aber auf eine relativ stark gesteigerte Intensität deiner Trainings gefasst, da deine kommenden Trainings ab jetzt Kraft und Cardio in einem sind. Eine großartige Kombination!
#2 Verbessere deine Erholungsphasen um härter und öfter zu trainieren
Es gibt viele Variablen die zur Optimierung von Kraft und Masse beitragen, eine davon, die Trainingsfrequenz, ist allerdings eine die sehr häufig zu wenig Beachtung findet. Viele trainierenden sind fast schon auf Autopilot in ihrem wöchentliche und geradezu automatisch ablaufenden Trainings ohne oft genug die Anzahl der Trainingstage / Woche, das Trainingsvolumen / Session oder das spezifische Ziel eines einzelnen Trainings zu hinterfragen.
Um Erfolg zu haben alle oben genannten Variablen zielorientiert zu verändern ist es notwendig vor allem eine Komponente zu beachten, die Fähigkeit sich den zwischen einzelnen Trainings optimal zu erholen. Einfach ausgedrückt, je schneller der Wiederherstellungsprozess ist, desto höher die Frequenz und Qualität des Trainings. Eine höhere Trainingsfrequenz und mehr Trainingsvolumen führt zu einem Zuwachs an Kraft und allgemein positive muskuläre Entwicklung.
Alle Trainingsprogramme meiner Athleten sehen einen – nicht verhandelbaren – Erholungstag pro Woche vor. Dieser Erholungstag besteht aus 4 Stufen:
- Global Self Myofascial Release Techniques
- Bi-Phasic Stretching
- Flow Based “Catch-All” Corrective Movements
- Low Impact / Intensity Steady State Cardio
Da in der breiten Masse bereits ein recht gutes Verständnis für Foam Rolling, Stretching und Cardiotraining besteht, möchte ich hier den Punkt “Flow Based “Catch-All” Corrective Movements adressieren und beschreiben wie er zu deiner Erholung beiträgt, und gleichzeitig noch eventuelle defizite am Bewegungsapparat hilft zu verbessern. Hier ist einer meiner absoluten Favoriten der sich mühelos als kontinuierliche Sequenz 4-8 Minuten am Stück ausüben lässt:
Deine Fähigkeit dich zwischen schweren Trainingstagen zu erholen, und stark beanspruchte Muskulatur wiederherstellen zu können, ist zum großen Teil Abhängig von diesen 3 Faktoren: Ausreichend guter Schlaf, vernünftige Ernährung und Stress-Management. Der Grund warum viele Menschen sich nicht ausreichend erholen, hat in der Regel nicht viel mit der Ausführung des Trainings zu tun, sondern viel mehr mit den oben genannten 3 Faktoren.
Ist dein Ziel eine langfristige progressive Leistungssteigerung, basierend auf guten Erholungsphasen? Dann verschwende nicht viel Zeit mit den weniger wichtigen Details wie Stretching und Foam Rolling, sondern richte den Fokus auf guten Schlaf, wohl durchdachte Ernährung und versuche deine Stresslevel nicht überhand nehmen zu lassen. Es werden wahre Wunder geschehen!
#1 Fokus auf mehr relativer Kraft im Verhältnis zum Körpergewicht
Dieser Abschnitt ist mit Absicht der letzte in diesem Artikel da meine Vermutung ist, dass viele den Artikel gar nicht erst fertig gelesen hätten, wenn er weiter vorne in der Liste der Top 4 Methoden um gleichzeitig Stark und Gesund zu sein, aufgetaucht wäre. Hier ist der Knackpunkt: für langfristige entwicklung von Kraft, Resilienz und allgemeiner Gesundheit ist relative Kraft, bzw. die Kraft einer Person im verhältnis zum eigenen Körpergewicht, weitaus wichtiger als die absolute Kraft.
Hier noch etwas deutlicher ausgedrückt. Falls du den weit über der Norm und nicht mehr akzeptablen Umfang deines Bauches fortlaufend versuchst zu rechtfertigen mit den Zielen deines Krafttrainings im Gym, es ist an der Zeit deine Perspektive zu ändern. Wir alle kennen die Gesundheitsrisiken die in Verbindung mit einem zu hohen Körperfettanteil stehen, Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und Kurzatmigkeit nach einer paar Treppenstufen … Wir müssen zu jedem Zeitpunkt den Kosten- Nutzen-Faktor einer jeden Entscheidung und eines jeden Trainingsziel im Fokus behalten.
Es ist schon länger kein Geheimnis mehr, jedoch noch immer als solches unbekannt für zu viele Menschen, dass du nicht zwangsweise endlose Cardiotrainings in dein Training integrieren musst, um richtig Athletisch zu sein. Wenn dir Athletik am Herzen liegt dann sind Intervall -Läufe und -Sprints die richtige Entscheidung. Hier ein Beispiel für ein Intervall-Bergauf-Sprint auf dem Laufband, den du im Anschluss an fast jede Art Training Session ausführen kannst.
Falls es dir noch immer schwer fällt von dem Mindset des Trainings für absolute Kraft loszulassen, zum auffrischen hier ein paar Details in Anatomie und Biomechanik. Fett besteht aus Fettzellen und hat keinerlei kontraktilen Eigenschaften die dazu beitragen dein Kraftpotential zu entwickeln. So bleibt also deine absolute Kraft gleich während du dein Körperfett reduzierst und deine relative Kraft nimmt zu. Also wie genau rechtfertigst du die extra Kilo die du noch immer mit dir herum schleppst?
Arbeite an deinem Mindset, deinem Verständnis in Bezug auf deine Ernährung und den Zweck den sie erfüllt, und dein Körper wird dies in Form von Ergebnissen widerspiegeln!
Über den Author
„Dr. John Rusin is a sports performance specialist and injury prevention expert that has coached some of the world’s most elite athletes, barbell sport competitors, and over 50,000 clients from all walks of life with his innovative pain-free performance programs and systems, which has gained him the reputation as the go-to industry expert for rebuilding after pain, injuries or plateaus. Dr. Rusin is also the founder of the Pain-Free Performance Specialist Certification (PPSC) that has certified over 2,500 personal trainers, strength coaches and rehab pros from across the globe in the pain-free performance training system over the past two years.“
More information available here: https://drjohnrusin.com
Übersetzt aus dem Englischen von Sascha Müller
